Die Volkstracht in Leimersheim

Zur Pflege von Heimat und Brauchtum, von einer "historischen Heimatkunde", gehört auch die Besinnung auf die Tracht der "Alten" und ihre Tänze. Seit 1983 können wir uns unserer Pfälzer Trachtengruppe erfreuen, Grund genug, uns auch über das Wesen und die Geschichte unserer Tracht einige Gedanken zu machen. Wilhelm Heinrich Riehl beschreib in seinem klassischen, 1857 erschienenen Werk "Die Pfälzer" das Wesen einer Volkstracht wie folgt: "Jede wahre Volkstracht ist die Uniform eines Standes oder eines Berufes. Wo allen Bauern, oder alle Fischer, Schiffer, Bergleute, Taglöhner usw. - gleichviel ob reich oder arm - in dem gleichen standesmäßigen Rock einhergehen, da herrscht Volkstracht... Aber die Standestracht allein macht doch auch noch keine Volkstracht; denn sonst würden die Uniformen von Beamten und Soldaten am Ende auch zu Volkstrachten werden. Die Standestracht muss einer örtlich begrenzten Volksgruppe eigentümlich und auf dem Wege der Sitte allmählich und dem einzelnen unbewusst erwachsen sein... So ist es also die Volkstracht nichts Launenhaftes und Willkürliches, keine Mode. Aus zwei Faktoren ist sie vielmehr notwendig und organisch hervorgegangen: aus dem örtlichen Bedürfnis und dem historischen Volkscharakter... Jede wahre Volkstracht... ist das Symbol der Landesnatur und zugleich der Volksnatur und Volksgeschichte." Albert Becker (Pfälzer Volkskunde, 1925) hielt weiter fest, dass das Mittelalter keine solche Tracht kannte. "Erst die beginnende Neuzeit mit ihrem rascheren Modewechsel, dem der Bauer nicht zu folgen wusste oder nicht folgen wollte, brachte eine ländliche Tracht hervor." Die übliche Pfälzer Volkstracht sei erst im 18. Jahrhundert entstanden und um die Mitte des 19. Jahrhunderts dahingeschwunden. Die Tracht als "Symbol der Landesnatur" verstand auch Karl August Becker (Die Volkstrachten der Pfalz, 1952), indem er schrieb, dass die "Gewandtheit und Rührigkeit der Pfälzer" alles Behindernde nicht nur bei seinem Arbeitskleid, sondern auch aus der Festtracht verbannte. Fritz Herzog (Die Tracht in der Pfalz, 1981) meinte, dass die "pfälzische Landschaft ihren Niederschlag in der Tracht der Pfälzer findet." Durch die reichliche Verwendung weißen Leinens gäbe der Pfälzer ein Zeugnis der "Liebe zur Reinlichkeit und Sauberkeit der Bewohner der Pfalz." Vom größten Einfluss auf die Tracht war jedoch die Geschichte. Um das allmähliche Entstehen der pfälzischen Tracht und örtliche und konfessionelle Unterschiede zu verstehen, muss die Geschichte der Pfalz studiert werden. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass 1. die Zerrissenheit der Pfalz vor der Französischen Revolution, 2. die zahlreichen, fremde Heere in die Pfalz führenden Kriege, 3. die Einwanderung vor allem aus dem südeuropäischen Raum nach dem Dreißigjährigen Krieg, 4. fremde und Standesmoden (auch der Nachbarregionen), 5. die Konfessionsgeschichte und manche andere historische Tatsachen entscheidenden Einfluss auf die pfälzische Tracht des ausklingenden 18. Jahrhundert hatten. Trotz hervorstechender Gemeinsamkeiten (Einfachheit, Bevorzugung von weißem Leinen etc.) der Trachten in der Pfalz gab es doch deutliche regionale Unterschiede. Deshalb und da es keine bildlichen Überlieferungen der bäuerlichen Tracht von Leimersheim gibt, war es zunächst recht schwierig, die historische Leimersheimer Tracht zu bestimmen. Aus der Trachtenüberlieferung unserer engen Umgebung, festgehalten im frühen 19. Jahrhundert, konnte der Experte für pfälzische Volkstrachten, Dr. Kaiser (Speyer), eine historisch angemessene Trachtenbeschreibung für Leimersheim ermitteln. Sie betrifft die bei uns getragene bäuerliche Tracht, da ungewiss ist, ob es in unserer Rheinlandschaft eine ausgesprochene Fischer- und Schiffertracht gab. Die in Leimersheim getragene Tracht sah zu Beginn des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich wie folgt aus.